17. Januar: Tu Bi’Schwat: das Neujahrsfest der Bäume

17. Januar: Tu Bi’Schwat: das Neujahrsfest der Bäume

17. Januar: Tu Bi’Schwat: das Neujahrsfest der Bäume 667 634 Union Progressiver Juden

Tu Bi’Schwat wird als das »Neujahrsfest der Bäume« bereits in der Mischna erwähnt, doch der 15. Tag im Monat Schwat (der dieses Mal auf den 17. Januar fällt) spielte im religiösen Festkalender lange Zeit keine Rolle: In Leon de Modenas Jüdische Riten, Sitten und Gebräuche von 1638 findet der Tag beispielsweise keinerlei Erwähnung. Es waren die Kabbalisten von Safed, die dem Tag im 16. Jahrhundert neue Bedeutung beimaßen, einen Tu-Bi’Schwat-Seder einrichteten und dies als tikkun begriffen, als Möglichkeit zur Neuausrichtung des eigenen Lebens. Der große jüdische Mystiker Isaak Luria Aschkenasi machte den Tu Bi’Schwat, den »Tag des Obstessens«, zum Symbol der festlichen Anteilnahme des Menschen an der Freude der Bäume. Der Midrasch bemerkt, dass die Bäume zum Genusse des Menschen geschaffen wurden und man sich an ihnen erfreuen soll (Midrasch Bereschit Rabba 13). In der Mischna heißt es zu diesem Neujahr der Bäume:

Es gibt vier Jahresanfänge: Der erste Nissan ist Jahresanfang der Könige und der Feste. Der erste Elul ist Jahresanfang für den Viehzehnten; R. Eleasar und R. Schimon sagen, der erste Tischri. Der erste Tischri ist Jahresanfang des Kalenderjahres, des Erlassjahres und des Jobeljahres sowie der Pflanzungen und Kräuter. Der erste Schwat ist nach der Schule Schammais Jahresanfang der Bäume; die Schule Hillels sagt, der fünfzehnte desselben. (mRH 1,1)

Religionsgesetzlich ist dieses Datum, der 15. Tag im Monat Schwat, der Maßstab für die Bestimmung des Alters eines Baumes, für die Zeitgrenze für die alljährliche Verzehntung der Früchte (ma’asser), also die Abgabe des zehnten Teils der Ernte, sowie für die Ansetzung des ma’asser ani, des Zehnten für die Armen. Im traditionellen Schrifttum heißt es über Tu Bi’Schwat mit Bezug auf Erez Jisrael zudem, dass bis zu diesem Tag der meiste Regen des Landes bereits gefallen ist; dass am Tu Bi’Schwat der Saft in die Bäume zu steigen beginnt; dass dann der größte Teil des Winterquartals vorüber ist und die Bäume bis zu diesem Datum vom Regen des Vorjahrs gespeist werden, von nun an jedoch vom neuen Regen. Wie an anderen Festtagen ist es verboten, zu fasten, eine Trauerrede auf Verstorbene zu halten oder bestimmte Bitt- und Flehgebete zu sagen.

Der Tu-Bi’Schwat-Seder

In Anlehnung an den Pessach-Seder trinkt man auch zu Tu Bi’Schwat vier Gläser Wein, stellt vier Fragen, isst besondere Speisen und erzählt sich Geschichten zum Feiertag. Das erste Glas enthält Weißwein: Symbol für die Kargheit des Winters. Im zweiten Glas wird dem Weißwein etwas Rotwein beigemischt: Symbol für den kommenden Frühling. Im dritten Glas überwiegt der Rotwein den Weißwein: Symbol für den Frühling. Das vierte Glas ist voller Rotwein: Symbol für den Sommer. Dazu werden traditionell die sieben Früchte des Landes Israel verzehrt, also gemäß Dtn 8,7–8 Weizen, Gerste, Weintrauben, Feigen, Granatäpfel, Oliven und Datteln, mancherorts auch 15, 30 oder gar 50 Früchte aus vier Kategorien: erstens Früchte mit einer harten äußeren Schale (Mandeln, Wal- und Pekannüsse), zweitens Früchte mit einem inneren Kern (Datteln, Oliven, Pflaumen, Kirschen), drittens Früchte mit einer äußeren Schale und einem inneren Kern (Avocados, Granatäpfel, Orangen und Johannisbrot) und schließlich viertens Früchte ohne hartem Kern und ohne feste Schale (etwa Feigen, Trauben, Rosinen, Beeren). Die Früchte können auf einer besonderen Platte dargeboten werden, ähnlich dem Sederteller für Pessach, und ebenso wie für Pessach ist der Verlauf dieses Abends in einer speziellen Ordnung festgeschrieben. Diese »Ordnung« wurde erstmals in dem Buch Chemdat Jamim genannt und 1753 als Sefer Pri Ez Hadar in Saloniki und anschließend auch in Venedig, Livorno und Amsterdam gedruckt.

Üblicherweise gibt es eine Person, die den Tu-Bi’Schwat-Seder leitet, die angibt, welche Frucht zu essen ist und welches Glas Wein getrunken werden soll, und die den jeweiligen Segensspruch spricht. Wie am Pessach-Seder kann auch an Tu Bi’Schwat jeder Anwesende reihum eine Passage aus der Haggada, der Textsammlung für diesen Feiertag, vortragen. Im Zuge der zionistischen Bewegung und insbesondere seit der Staatsgründung im Jahre 1948 hat der Feiertag eine neue Bedeutung bekommen: Man betont nun die Verbundenheit mit dem Lande Israel, die Idee der Wiedergeburt des Staates und seines Aufbaus – und heute treten dabei auch mehr und mehr Umweltfragen in den Vordergrund. Als die Knesset an Tu Bi’Schwat 1949 eröffnet wurde, sagte der erste israelische Staatspräsident Chaim Weizmann: »Jeder Jude hat eine Verbindung zu Israel. Wir hoffen, dass das Einsammeln der in der Diaspora Lebenden mehr und mehr Leute nach Israel bringen wird, die Wurzeln schlagen und mit uns allen zusammenarbeiten werden, um den Staat Israel aufzubauen und die Wüste zum Erblühen zu bringen.«

In der Diaspora isst man zu Tu Bi’Schwat nach Möglichkeit Früchte, die aus Israel stammen, und ebenso wie in Israel werden an diesem Tag Bäume gesetzt, frei nach Lev 19,23: »So ihr aber in das Land kommet und irgendeinen Baum zur Speise pflanzet […]« Besonders populär ist zu Tu Bi’Schwat der Mandelbaum, der in Israel um diese Zeit herum blüht. 1942 hat der aus München stammende liberale israelische Religionsphilosoph Schalom Ben-Chorin (1913–1999) diesem Baum als Lebens- und Friedenszeichen ein Denkmal gesetzt: »Freunde, dass der Mandelzweig sich in Blüten wiegt, bleibe uns ein Fingerzeig, wie das Leben siegt.«

Quelle: Andreas Nachama, Walter Homolka, Hartmut Bomhoff: Basiswissen Judentum, Verlag Herder, Freiburg i. Br. 2015, S. 261-264

Bildnachweis

Sederteller: © Gila Brand / Wikimedia

Poster: © KKL / JNF

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