Jüdische Gemeinde Magdeburg legt Petition vor

Jüdische Gemeinde Magdeburg legt Petition vor

Jüdische Gemeinde Magdeburg legt Petition vor 426 455 Union Progressiver Juden

PETITION

 zur Anerkennung des liberalen Judentums als gleichberechtigte Konfession neben konservativen Strömungen

Magdeburg hat zwei jüdische Gemeinden, die orthodox ausgerichtete „Synagogen-Gemeinde zu Magdeburg“ und die „Liberale Jüdische Gemeinde zu Magdeburg“. Letztere vertritt die 117 liberal jüdischen Bürger Magdeburgs, die Nutzung der vom Land Sachsen-Anhalt maßgeblich finanzierten neuen Synagoge in Magdeburg wird ihr jedoch von der orthodoxen Synagogen-Gemeinde verwehrt.

Bereits das Scheitern der Petition vom Mai 2019 – Nr. 7-B/00115 – die das Bestreben einer Mitbenutzung der neuen Synagoge in Magdeburg zum Inhalt hatte – zeigte, dass der Landtag Sachsen-Anhalts die „Liberale jüdische Gemeinde zu Magdeburg“, die das liberale – also fortschrittliche moderne Judentum vertritt – als nicht gleichwertig behandelt.

Die Versuche, eine Mitbenutzung der neuen Synagoge zu erreichen, scheiterten an der lapidaren Feststellung der orthodoxen Synagogengemeinde: „Eine Synagoge hat entweder den Status einer liberalen oder einer orthodoxen Synagoge.“ Parolen wie „Die Synagoge wird als freie Synagoge für jeden, der beten möchte, unabhängig von Religion und Herkunft …“ und die Einschätzung des Petitionsausschusses, die Synagogengemeinde verstehe sich als Einheitsgemeinde, also als Gemeinde, in der auch liberalen Jüdinnen und Juden Zugang gewährt würde, stellten sich als leere Worthülsen heraus.

Im neu gegründeten Beirat für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt ist kein einziges Mitglied des liberalen Judentums vertreten!

Hieraus ergeben sich folgende Bitten zur Berücksichtigung an den Landtag:

  1. Der Landtag wirkt auf die Synagogengemeinde ein, um zu erreichen, dass die Mitglieder der „Liberalen jüdischen Gemeinde zu Magdeburg“ nach ihrem Ritus in der neuen Synagoge beten können. Dies umfasst die aktive Mitwirkung von Frauen am Gottesdienst einschließlich Kantorinnen und Rabbinerinnen.
  2. Ein Mitglied der liberalen Gemeinde zu Magdeburg wird als Vertreterin bzw. Vertreter des liberalen Judentums in den Beirat für jüdisches Leben des Landes Sachsen – Anhalt gewählt.
  3. Landesrabbiner und Landesverband nur für orthodoxe Juden

Begründung:

Wir, liberale Jüdinnen und Juden werden in Sachsen-Anhalt ignoriert, obwohl die Haskala – die Aufklärung im Judentum und die Liberalisierung – seine Wurzeln gerade in unserem Bundesland hat und wir darauf stolz sein könnten. Die liberalen Jüdinnen und Juden kommen nicht als Fremde hierher, obwohl sie von der Verwaltung oft so behandelt werden. Vielmehr knüpfen sie an eine Tradition und das jüdische Leben an, das hier vor den Pogromen blühte.

1. Wiederaufbau einer Synagoge unter Ausschluss liberaler Jüdinnen und Juden

Die „Liberale Jüdische Gemeinde zu Magdeburg“ war vor den Nazi-Pogromen ein fester Bestandteil der Magdeburger Gesellschaft und hat durch die November-Pogrome 1938 ihre Synagoge in Magdeburg verloren. Die neue Synagoge in Magdeburg wurde mit Fördermitteln des Landes in Höhe von 6,922 Mio € bei Gesamtkosten von 7,6 Mio € errichtet. Das Grundstück wurde von der Stadt Magdeburg geschenkt. Die Mitbenutzung durch Mitglieder der liberalen Gemeinde wurde ausgeschlossen. Auch ein Beten nach liberalem Ritus ist nicht möglich.

Verantwortung für diese diskriminierende Ungleichbehandlung trägt der Landtag. Die fortwährenden Bemühungen der liberalen Gemeinde, die sogar eine Petition einreichte, wurden übergangen. Es handelt sich hier nicht um eine Auseinandersetzung zwischen zwei jüdischen Gemeinden, sondern anscheinend wird nur das orthodoxe Judentum respektiert und ernst genommen.

1.1 Ergebnis der Petition Nr. 7 B/00115 vom Mai 2019

Die „Liberale Jüdische Gemeinde zu Magdeburg“ beanstandete in der Petition 7-B/00115 die Ungleichbehandlung der beiden jüdischen Gemeinden mit dem Ziel, eine Mitnutzungsmöglichkeit zu erreichen. Der Petition wurde unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Landesregierung nicht stattgegeben:

Hintergrund:

…Die SGM, die dem Zentralrat der Juden in Deutschland und dem Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt K.d.ö.R. angehört, definiert sich selbst als Einheitsgemeinde, das heißt als Gemeinde, die grundsätzlich allen Richtungen im Judentum offensteht, wie fast alle Zentralratsgemeinden. Ihr Ritus ist orthodox ausgerichtet. Die JGM definiert sich selbst als Gemeinde des liberalen Judentums. Sie gehört der – kleineren – Union progressiver Juden in Deutschland an. Die SGM hatte 2017 ca. 470 Mitglieder, die JGM hatte 2017 ca. 110 Mitglieder

Sachverhalt:

Es war von vornherein das Bestreben aller Beteiligten, den Synagogenneubau für alle Menschen jüdischen Glaubens zur Nutzung, insbesondere zum Gottesdienst, offen zu halten. Dieses entspricht auch der von der SGM vertretenen Konzeption der Einheitsgemeinde. Die Offenheit der neuen Synagoge auch über die Gemeindegrenzen hinaus für alle Menschen jüdischen Glaubens und als Begegnungsort für alle Menschen guten Willens wurde von der SGM durch ihren Vorsitzenden, Vadim Laiter, stets und auch gegenüber dem Kuratorium mehrfach unterstrichen. Dabei bleibt der Ritus der SGM grundsätzlich orthodox…

Bewertung:

Das Land Sachsen-Anhalt ist weder Bauherr noch Bauträger eines Synagogenneubaus in der Landeshauptstadt Magdeburg. Es ist durch den Landeshaushalt 2019 avisiert worden, ein Synagogenneubauprojekt in Magdeburg zu unterstützen. Das Land sieht sich hierin in einer geschichtlich bedingten Verpflichtung, es kann jedoch eine Einigung zwischen SGM und JGM am Ende langjährigen Bemühens nicht erzwingen. Der Synagogenneubau soll, wie nochmals betont wird, nach Aussage der SGM allen jüdischen Menschen offenstehen. Das Land Sachsen-Anhalt teilt weder, wie von der Petentin vorgetragen, die jüdischen Bürgerinnen und Bürger in zwei Klassen noch hat es nur einige von ihnen zu „ Erben “ zu ernennen. Der Vorwurf des Betruges und der Täuschung der Steuerzahler muss zurückgewiesen werden. Die Verpflichtungsermächtigung ist transparent in den Landeshaushalt 2019 eingeflossen und kann nur unter den dort genannten Voraussetzungen schlussendlich auch freigegeben werden.

Offensichtlich wurde der Petition nicht stattgegeben, da der Ausschuss davon ausging, dass die Mitbenutzung abgesichert ist.

1.2 Ausschluss der Mitbenutzung durch die SGM

Wie oben in der Stellungnahme der Landesregierung beschrieben, war das Verhalten der SGM unzweideutig als eine Zusage der Mitbenutzung gegenüber der liberalen Gemeinde zu verstehen. Auf Nachfrage vom 22.09.2022 erklärte dann die SGM, dass die „Liberale Jüdische Gemeinde zu Magdeburg“ die neue Synagoge nicht nutzen kann: „Eine Synagoge hat entweder den Status einer liberalen oder einer orthodoxen Synagoge“.

vgl. Schreiben vom 29.11.2022 in Kopie in Anlage

1.3 Wirkungslose Auflage im Fördermittelbescheid

Die Auflagen im Fördermittelbescheid sollen einen Ausgleich zwischen den beiden jüdischen Gemeinden in Magdeburg schaffen. Nur eine der beiden Gemeinden erhält Fördermittel (zunächst 2,8 Mio. €) für eine neue Synagoge und die andere Gemeinde will und wollte sicherstellen, dass sie wenigstens die Synagoge auch nutzen darf. Dies wurde unter III Nebenbestimmungen/Auflagen konkretisiert:

„Die Bewilligung erfolgt unter der Auflage, dass die Synagoge für alle Menschen jüdischen Glaubens – gleich, welcher Strömung – offensteht. Ein Verstoß gegen dies Auflage kann zum Widerruf der Zuwendung führen.“

Auch der Hinweis auf dies Auflage mit Schreiben vom 21.11.2023 führte zu keinem Ergebnis.

Vgl. Schreiben von 21.11.2023 in Kopie in Anlage

1.4 Passives, ignorierendes Verhalten der Verantwortungsträger

Sowohl der Ansprechpartner für jüdisches Leben in Sachsen- Anhalt wie das Landes-verwaltungsamt, der Förderverein SGM als auch das zuständige Ministerium raten zu einer Verständigung mit der SGM, obwohl alle unsere Versuche von dieser abgeblockt wurden. Sämtliche Beteiligte wurden von unseren Bemühungen laufend informiert und um Hilfe gebeten.

2. Mitwirkung eines Mitglieds der „Liberalen Jüdischen Gemeinde zu Magdeburg“ als Vertreter des liberalen Judentums in den Beirat für jüdischen Leben des Landes Sachsen – Anhalt.

Am 13.10.2022 hat sich in der Staatskanzlei der „Beirat für jüdisches Leben des Landes Sachsen-Anhalt“ konstituiert. Dem Beirat gehören, berufen durch den Ministerpräsidenten, Persönlichkeiten an, die sich mit dem jüdischen Leben in Sachsen-Anhalt verbunden wissen.

Hiervon erfuhr die liberale Gemeinde aus der Zeitung. Offenbar wird das liberale Judentum als unbedeutend bewertet. In dem Beirat finden sich mit

  • Mark Dainow, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland
  • Daniel Fabian, Landesrabbiner Sachsen-Anhalt
  • Max Privorozki, Vorstand des Landesverbands Jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt

nur Vertreter des orthodoxen Judentums.

3. Missverständliche Bezeichnung „Landesrabbiner“ und „Landesverband“

Der Landesrabbiner und auch der Vorsitzender des Landesverbandes jüdischer Gemeinden vertreten nur orthodoxe Jüdinnen und Juden. Dies sollte bei der Bezeichnung auf der Webseite der Staatskanzlei klargestellt werden.

Die „Liberale Jüdische Gemeinde zu Magdeburg“ wird nicht durch den Zentralrat der Juden repräsentiert.

Die „Liberale Jüdische Gemeinde zu Magdeburg“ ist im Verband „Union der progressiven Juden in Deutschland K.d.ö.R.“ organisiert, dem derzeit 17 liberale jüdische Gemeinden angehören. Zudem sind folgende jüdische Organisationen Mitglied der UpJ: Arzenu (zionistische liberale Organisation), die Stiftung Liberales Judentum Hannover und das Abraham Geiger Kolleg (AGK). Dieses wurde von der UpJ, namentlich unter dem damaligen Vorsitzenden Dr. Jan Mühlstein, gegründet. Außerdem ist die UpJ Vertragspartner der Universität Potsdam für die Einrichtung der School of Jewish Theology. Die UpJ ist Mitglied der „European Union for Progressive Judaism“ und der „World Union for Progressive Judaism“ und damit in der weltweit größten jüdischen Organisation (mit Sitz in Jerusalem) vertreten.

Der auf der Webseite der Staatskanzlei angegebene Landesrabbiner ist nur für die orthodoxen Gemeinden zuständig.

Ein liberaler Rabbiner benötigte eine weitergehende Ausbildung.

Die Vertretung der“ Liberalen Jüdischen Gemeinde zu Magdeburg“ wird von Frau Kantorin Schulamit Lubowska übernommen, die dort Gottesdienste, religiöse Unterrichte und religiöse Veranstaltungen durchführt.

Weshalb wird das liberale Judentum in Sachsen -Anhalt ignoriert?

Das liberale Judentum ist weltweit die zweitgrößte jüdische Konfession; die meisten Gemeinden in Deutschland waren vor dem Holocaust dem Reformjudentum zuzurechnen.

Der in Dessau geborene deutsche Philosoph Moses Mendelsohn, verewigt in Lessings „Nathan, der Weise“, legte mit seiner Übersetzung der Thora ins Deutsche die Grundlage für das Reformjudentum und gilt als der wichtigste Wegbereiter der jüdischen Aufklärung. Der in Halberstadt geborene Israel Jakobson feierte den ersten liberalen Gottesdienst in Seesen. Ludwig Philippson aus Dessau, der die Erste Allgemeine Zeitung des Judentums gründete, weihte schließlich am 14.09.1851 die alte Synagoge in Magdeburg ein.

Vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ist unbekannt, dass es nicht nur ein konservatives Judentum gibt, sondern auch ein liberales, in denen auch Frauen als Rabbinerinnen den Gottesdienst leiten. Die erste Rabbinerin war die Berlinerin Regina Jonas, die 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde. Anders als beim orthodoxen Judentum ist Musik beim liberalen Gottesdienst erlaubt; so hatte die alte Synagoge in Magdeburg eine Orgel. Grundlage ist die Aufklärung und die Emanzipation mit einer Offenheit für fortschrittliche Werte.

Heute können liberalen Jüdinnen und Juden nicht nach dem liberalen Ritus, nach dem Männer und Frauen gleichberechtigt sind, in dem es Rabbinerinnen und Kantorinnen gibt, in der neuen Synagoge in Magdeburg beten.

Die Vertretung des liberalen Judentums im Beirat für jüdisches Leben war auch nicht vorgesehen.

Mit unserer Petition wollen wir auch für die Öffentlichkeit ein Bild der Vielfalt jüdischen Lebens von säkular, liberal bis orthodox vermitteln.

Mit freundlichen Grüßen

Larisa Korshevnyuk | Vorsitzende

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