Bar / Bat Mitzwa

Unter einer Bar-Mitzwa („Sohn des Gebots“) versteht man die Zeremonie zu Beginn der religiösen Mündigkeit eines Jungen, der das 13. Lebensjahr vollendet hat (Pirke Awot 5,1; Joma 82a). Sie basiert auf einer rechtlichen Regelung über den Zeitpunkt, von dem an ein Junge für die Einhaltung der jüdischen Gebote verantwortlich ist. Die Festlegung des Alters geht auf eine Zeit zurück, in der ein Dreizehnjähriger bereits arbeiten musste und wie ein Erwachsener behandelt wurde. Dies ist in unserer Zeit nicht mehr der Fall, deshalb stehen heute andere Aspekte der Bar-Mitzwa-Zeremonie im Vordergrund. Die Bar-Mitzwa ist ein wertvolles Mittel, die Identifikation des Jungen mit dem Judentum zu stärken und ihn dazu anzuregen, weiterhin seinen Glauben zu leben und das Judentum zu studieren. Sie nimmt außerdem die körperlichen und emotionalen Veränderungen ernst, die er in dieser Zeit erlebt, indem sie ihn in den Vordergrund stellt und ihm eine neue Stellung innerhalb der Gemeinde einräumt. Gleichzeitig symbolisiert die Zeremonie für seine Eltern die neue Beziehung, die sie ab jetzt zu ihm haben sollten. Da es keinen religiösen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt und auch Mädchen in diesem Zeitraum erhebliche körperliche und geistige Änderungen erleben, sieht das progressive Judentum eine Zeremonie für sie als gleich wichtig an. Hinzu kommt, dass Mädchen im progressiven Religionsunterricht dieselbe Ausbildung wie Jungen erhalten. Daher ist es selbstverständlich, dass auch sie eine öffentliche Zeremonie bekommen. Diese hat exakt die gleiche Form wie die Bar-Mitzwa und findet statt, wenn das Mädchen 12 Jahre alt geworden ist. Das betreffende Mädchen heißt Bat-Mitzwa („Tochter des Gebotes“). Fast alle progressiven Synagogen führen die Bar/Bat-Mitzwa Zeremonie durch, wenn die Jungen und Mädchen das Alter von 13 bzw. 12 Jahren erreicht haben.

Die Bar/Bat-Mitzwa-Zeremonie läuft in den verschiedenen progressiven Synagogen sehr unterschiedlich ab. Im Allgemeinen liest die betroffene Person an einem Schabbatvormittag den Wochenabschnitt aus der Thorarolle (einige lesen, einige singen, einige lesen und übersetzen) und sagt die Lobsprüche vor und nach der Lesung. Gewöhnlich ist das Kind für die gesamte Thoralesung verantwortlich, nicht nur für die letzten paar Verse (Maftir), wie es in vielen orthodoxen Synagogen üblich ist. In vielen Synagogen liest es dann die Haftara, den für die Woche bestimmten Prophetenabschnitt mit seinen Lobsprüchen. In einigen Synagogen gibt der Jugendliche ebenfalls eine kurze Erklärung des Thora-Abschnitts oder hält gar eine Predigt, die sich auf den Wochenabschnitt bezieht und sich auf seine jüdischen Studien gründet. Zusätzlich leiten manche von ihnen die Gebete im Gottesdienst oder lesen bestimmte Texte wie die Zehn Gebote. Außerdem ist es üblich, dass sie ein besonderes Gebet sprechen, in dem dieser besonderer Anlass formuliert wird:
Vor denen, die mich unterrichtet haben, vor dem Vorstand und den Gliedern dieser heiligen Gemeinde, will ich mich darauf vorbereiten, die Verpflichtungen anzunehmen, die ganz Israel gelten. Ich bitte den Vorstand und die Gemeinde um ihre Hilfe in den kommenden Jahren, damit meine Liebe zu dieser Gemeinde und mein Einsatz für sie gestärkt werden und damit ich an Werken der Nächstenliebe und an guten Taten wachse.

Ich denke jetzt auch an die, die mir vorangegangen sind. Ich denke an das Erbe der Heiligkeit und der Güte, das sie in schweren Zeiten bewahrt haben, so dass ich heute diese Erbschaft übernehmen kann.

Ich möchte ein wahrer Bar-Mitzwa sein, ein wahrer Sohn der Gebote./Ich möchte eine wahre Bat-Mitzwa sein, eine wahre Tochter der Gebote. Ich möchte meinen Platz in der Gemeinde Israels einnehmen. Ich möchte ihre Verpflichtungen annehmen und mich an ihrem Segen erfreuen. Ich möchte ein Zeuge/eine Zeugin sein für den lebendigen Gott und für seine Güte. Ich möchte die Tradition, die in mir lebt, weitertragen.

Ich denke an alle, die mir geholfen haben, diesen Augenblick zu erreichen. Ich danke für die Liebe und Fürsorge meiner Familie. Ich danke für die Geduld und Ratschläge meiner Lehrerinnen und Lehrer. Ich danke für meine Freundinnen und Freunde, die mich begleiten.
In der Thora habe ich das Wort Gottes gelesen. Mit eurer Hilfe will ich nun weitergehen und es in meinem Leben erfüllen.

Häufig wird dieses Gebet vor dem geöffneten Thoraschrein gesprochen, während die Eltern bzw. die Personen, die das Kind erzogen haben, neben ihm stehen. In einigen Synagogen gibt es eine Zeremonie für den Vater, der dem Kind eine Thorarolle übergibt um zu symbolisieren, wie die Tradition von der einen Generation zur nächsten übergeben wird. Der Rabbiner nimmt in seiner Predigt auf die Bedeutung dieses Anlasses Bezug und auf die Herausforderungen, vor denen die betreffende Person nun steht. Oft folgt ein besonderer Lobspruch, den der Rabbiner spricht. Der Lobspruch des Vaters in orthodoxen Synagogen – „Gepriesen sei Er, der mich von meiner Verantwortung für dieses Kind befreit hat“ – wird nicht gesagt, denn man weiß heute, dass ein dreizehnjähriges Kind nach wie vor sehr von seinen Eltern abhängig ist und sein Reifeprozess gerade erst beginnt. Nach dem Gottesdienst richtet die Familie gewöhnlich einen Kiddusch für die ganze Gemeinde aus. Üppige Feiern werden jedoch abgelehnt, um keinen Unterschied nicht zwischen reichen und armen Familien entstehen zu lassen.

Verwandte und Freunde haben Geschenke für den Jungen bzw. das Mädchen. Es wird nahegelegt, Geschenke mit einer jüdischen Bedeutung zu geben, die zum Anlass passen, zum Beispiel einen jüdischen Ritualgegenstand, ein jüdisches Buch oder eine Urkunde über einen im Namen des Kindes in Israel gepflanzten Baum. Viele Familien werden anschließend eine private Feier haben. Es ist angemessen, sich über diese besondere Gelegenheit zu freuen. Dennoch sollte die Feier nicht von einem solchen Ausmaß sein, dass sie die eigentliche Bar/Bat-Mitzwa-Zeremonie überschattet. Außerdem sollten Eltern nicht den Fehler begehen, mehr Zeit für die Planung der äußeren Organisation aufzubringen, als sie ihrem Kind beim Lernen für die Bar/Bat-Mitzwa-Zeremonie helfen. Viele Rabbiner ermutigen die betroffenen Familien, ihre Freude mit denen zu teilen, die weniger glücklich sind als sie und einen Prozentsatz der Kosten ihrer Feier (und vielleicht der erhaltenen Geldspenden) für wohltätige Zwecke zu spenden. Wenn der Jugendliche bei der Entscheidung über die Höhe der Spende und den Zweck miteinbezogen wird, bekommt die Handlung einen hohen didaktischen Wert. Sie veranschaulicht die Bedeutung der Wohltätigkeit und die neue Verantwortung, die der Jugendliche nun trägt.
Voraussetzung für eine Bar/Bat-Mitzwa ist, dass die Jugendlichen am Religionsunterricht teilgenommen und ein grundlegendes Verständnis über ihr jüdisches Erbe erworben haben. Daneben ist das Vertrautsein mit den Synagogengottesdiensten unerlässlich. Wenn ein solches Wissen fehlt, kann die Zeremonie aufgeschoben werden, bis der oder die Betreffende ein größeres Verständnis des Judentums erworben hat. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Kinder erst kurz vor ihrem dreizehnten Geburtstag beginnen, den Religionsunterricht zu besuchen. In diesem Fall fordern einige progressive Synagogen eine Mindeststudienzeit von zwei Jahren, bevor die Bar/Bat-Mitzwa stattfinden kann. Für behinderte Kinder werden oft besondere Regelungen getroffen, so dass es auch ihnen möglich ist, eine Bar/Bat-Mitzwa-Zeremonie zu bekommen, auch wenn sie nicht alle sonst üblichen Erfordernisse erfüllen können. Die Angebote, die nach der Bar/Bat-Mitzwa folgen, sind ebenso wichtig. Progressive Synagogen haben deshalb Post-Bar/Bat-Mitzwa Klassen, in denen die Jugendlichen ermutigt werden, ihre offizielle jüdische Ausbildung für mindestens zwei weitere Jahre fortzusetzen. Zusätzliche Möglichkeiten, Jugendliche in das Gemeindeleben zu integrieren, bieten die Hohen Feiertage. Man kann die Teenager für eine Mitzwa vorsehen. Auch kann man sie bitten, ihren Thora-Abschnitt erneut zu lesen, wenn er in den nächsten Jahren wieder an die Reihe kommt. Alle progressiven Gemeinden teilen die Auffassung, dass das jüdische Lernen und jüdische Leben eine lebenslange Aufgabe ist. Die Bar/Bat-Mitzwa-Zeremonie, die manchmal irrtümlich als das Ende der jüdischen Ausbildung eines Menschen angesehen wird, ist letztlich nur der Anfang eines anderen Stadiums in der jüdischen Entwicklung einer Person.

Die wachsende Beliebtheit der Bat-Mitzwa für Mädchen nach dem Zweiten Weltkrieg führte in manchen orthodoxen Synagogen vor allem des Auslands zu einer ähnlichen Zeremonie, der Bat-Chajil („Tochter der Kraft“). Sie findet im Alter von zwölf Jahren statt und bezieht sich gewöhnlich auf eine Gruppe von Mädchen, nicht auf ein einzelnes Individuum. Sie geschieht an einem Sonntagnachmittag und besteht aus der Lesung von Psalmen oder besonders ausgewählten Texten, nicht aus den Pflichtgebeten und dem Thora-Abschnitt.
In letzter Zeit kam es in den progressiven Gemeinden häufiger vor, dass Menschen, die in ihrer Kindheit keine Bar/Bat-Mitzwa hatten, sich dazu entschlossen, diese Zeremonie in höherem Alter nachzuholen. Dies betrifft Frauen, die in orthodoxen Synagogen aufgewachsen waren, Männer, die aufgrund der Kriegssituation keine Gelegenheit dazu hatten und Menschen, die nicht von Geburt an jüdisch sind. Für sie ist die Vorbereitungszeit eine Herausforderung und das Ereignis selbst eine sehr bewegende neue Bekräftigung ihres jüdischen Lebens und ihrer Teilhabe am örtlichen Gemeindeleben.

Konfirmation

Es gibt Gemeinden, die stattdessen oder zusätzlich im 16. Lebensjahr eine Konfirmation durchführen. Dies hat den Grund darin, dass den Jugendlichen mehr Verständnis für ihre religiösen Verpflichtungen zugetraut wird. Diese Verfahrensweise hat den Vorteil, dass der offizielle jüdische Religionsunterricht bis zum 16. Lebensjahr aufrecht erhalten wird und damit ein sehr viel tieferes Wissen über das Judentum vermittelt werden kann. Während die Bar/Bat-Mitzwa eine individuelle Feier ist, wird bei der Konfirmation ein ganzer Jahrgang eingesegnet. Der bevorzugte Termin für diese Feier ist Schawuot, das Fest der Thoragabe. Als das Fest, an dem die Offenbarung am Berg Sinai gefeiert wird und der Bund, der zwischen Gott und Israel geschlossen wurde, ist Schawuot besonders geeignet, die Hingabe der Jugendlichen an die Thora zu feiern.

Bild von Amanda Green auf Pixabay

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